Ein Wort macht derzeit die Runde. Immer öfter ist es jetzt zu lesen. Es lautet: „PASOKisierung.“ Die PASOK ist die sozialdemokratische Partei in Griechenland. Im Jahr 2009 wurde sie noch mit 43,94 Prozent der Stimmen in die Regierung gewählt. Sie sollte die Folgen der Euro-Krise bewältigen. Diese Hoffnung konnte sie nicht erfüllen. Inzwischen ist die PASOK in der Bedeutungslosigkeit versunken – 6,28 Prozent waren es bei der Parlamentswahl im September 2015. Droht der Sozialdemokratie in ganz Europa das Schicksal ihrer griechischen Schwesterpartei? Diese Frage haben wir am Pfingstsonntag diskutiert.

In unserem Arbeitsprogramm haben wir uns am Jahresanfang vorgenommen, neben den vielen organisatorischen Erfordernissen einer politischen Jugendorganisation, wieder viel mehr über Politik zu diskutieren. Und dafür wollen wir uns jetzt immer wieder einen ganzen Sonntagmorgen Zeit nehmen.

Den Anfang machte das Diskussionsthema „Sozialdemokratie im Sinkflug – Was bringt die Zukunft“. Unser Vorsitzender Cem Taskin gab eine kurze Einleitung ins Thema. Es folgte eine leidenschaftliche und kontroverse, aber auch aufschlussreiche Debatte.

Das PASOKisierung erscheint uns angesichts spezifischer hausgemachter griechischer Schwierigkeiten als überzogen. Nichts desto trotz ist festzustellen, dass die Sozialdemokratie länderübergreifend in Europa von Wählerschwund betroffen ist. Zwar sind Sozialdemokraten vielfach noch Regierungspartei, jedoch meist nur noch als Juniorpartner, wie in Deutschland oder der Niederlande. Dort wo die SPD noch den Regierungschef stellt, steht sie gleichsam auf wackligen Füßen, wie in Schweden und Österreich.

Ursachen dafür gibt es viele. Offenbar leidet die SPD zum Einen an ihrem eigenen bisherigen Erfolg. Viele Arbeiterkinder haben in den 1970er Jahren – auch dank der sozialliberalen Bildungsreform – den gesellschaftlichen Aufstieg geschafft, studiert. Außerdem haben SPD und Gewerkschaften zum Beispiel in der Metall- und Chemie-Branche sehr hohe Arbeitsbedingungen und Löhne für Facharbeiter durchsetzen können. Diese Bevölkerungsgruppen sind also heute – aufgrund der Erfolge der SPD-Politik – weniger auf die Existenz einer sozialdemokratischen Partei angewiesen.

Zudem erschwert der Wandel der Arbeitswelt von einer Industrie- zu einer Dienstleistungs- bzw. Wissensgesellschaft, Arbeitnehmer verschiedener Couleur unter einem gemeinsamen politischen Banner zu vereinigen. Gerade in den Dienstleistungsberufen sind Arbeitnehmer viel zu selten gewerkschaftlich organisiert. Insofern fehlt es an einer gemeinsamen Identität, die typischerweise die Sozialdemokratie als Partei ausgezeichnet hat und ihr ermöglichte Wähler und Mitglieder zu rekrutieren.

Die Ausdifferenzierung des Parteiensystems tut ihr übriges. Noch Anfang der 1980er Jahre war die Parteienlandschaft in Deutschland übersichtlich. Es gab SPD, CDU/CSU und FDP. Inzwischen sind mit Linkspartei, Grünen, AfD und zwischenzeitlich auch den Piraten vier Parteien hinzu gekommen. Drei davon holen ihre Wählerinnen dort ab, wo früher die SPD war. Nur war es damals, aufgrund nicht vorhandener Konkurrenz, auch einfach für die SPD so unterschiedliche Wähler zu binden. Einige der neuen Parteien zeigen aber auch: Die Wählerinnen und Wähler schrecken nicht mehr davor zurück, extrem zu wählen. Offenbar verlieren Parteien der Mitte an Zuspruch, während populistische Parteien im Aufwind sind.

So weit die Analyse. Doch welche Antworten müssen die sozialdemokratischen Parteien nun finden?

Wir stimmen darin überein, dass…
1) die Sozialdemokratie in ihrer gegenwärtigen Situation, weder als Gegner noch als Motor auftritt. So hat die Partei keine glorreiche Zukunft. Vielmehr droht sie zwischen Konservativen, Grünen und Linken zerrieben zu werden. Eine Abstinenz von der Macht würde der Erneuerung der Partei gut tun.
2) die Lösungen des 20. Jahrhunderts heute nicht mehr funktionieren. Es bedarf neuer politischer Konzepte und der Zusammenarbeit von Staaten. Hoffnungvoll geht daher unser Blick in Richtung Großbritannien. Dort lässt der neue Labour-Chef gerade an einem neuen Entwurf der Wirtschaftspolitik arbeiten. Daran wirken unter anderem die Ökonomen Thomas Piketty (Das Kapital im 21. Jahrhundert) und Joseph Stiglitz (Der Preis der Ungleichheit) mit. Denn wir brauchen dringend einen neuen Politikentwurf, der Antworten für das 21. Jahrhundert liefert. Dafür würde es sich lohnen, idealerweise in Verbindung mit den übrigen sozialdemokratischen Parteien Europas, zu streiten.
3) Persönlichkeiten gewählt werden. Das beste Programm verkommt zu Schall und Rauch wenn es nicht von einer glaubwürdigen, womöglich charismatischen Person propagiert wird. Davon gibt es in der europäischen Sozialdemokratie derzeit zu wenige. Daher bleibt zu hoffen, dass sich aus dem Reservoir der Partei ein aufstrebendes Talent aufscheint.

Kurzum die Partei muss wieder dreierlei erlangen:
1. Unterscheidbarkeit
2. Glaubwürdigkeit
3. Überzeugungskraft

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