Nach den skeptischen Äußerungen der CDU war ja fast damit zu rechnen, dass nicht alle Stadtverordneten für einen Live-Stream der Ratssitzung sind. Wie hoch die Ablehnung aber tatsächlich ausfällt, überrascht dann doch. In einer Befragung haben laut Auskunft des Bürgermeisters 18 der 62 Ratsmitglieder einer Übertragung ihrer Redebeiträge widersprochen. Zehn Stadtverordnete schafften es sogar nicht einmal ihren Zettel abzugeben. Unseren Juso-Vorsitzenden Marcel Loerper schockierte dieses Ergebnis: „Der Neusser Rat ist reaktionärer als ich es gedacht hätte und die Ratsmitglieder haben offensichtlich Angst davor, dass ihre Wähler sehen, was sie da treiben.“

Die Idee, Ratssitzung künftig live im Internet zu übertragen kam nicht nur von den Jusos, sondern war zusammen mit Junger Union, Jungen Liberalen, Grüner Jugend und Piraten als Antrag formuliert worden. Die 18 Ratsmitglieder, die jetzt einer Übertragung widersprachen, lassen also auch ihre eigenen Jugendorganisationen im Regen stehen.

Was spricht für einen Live-Stream?

Im Stadtrat werden Entscheidungen getroffen, die das Leben der Neusser Bürger oft sehr direkt betreffen. Um sich eine Meinung zu bilden, müssen die Wähler an alle Unterlagen kommen, die den Stadträtinnen und Stadträten vorliegen. Außerdem müssen sie die Diskussionen und Abstimmungen im Rat verfolgen können. Für viele Leute ist es aber mühsam extra zur Ratssitzung zu fahren, die öffentlich einsehbaren Protokolle geben den Diskussionsverlauf leider nur grob wieder. Deshalb gibt es ein Live-Streaming bereits in einigen Städten in NRW – mit großem Erfolg: In Bonn verfolgen zum Beispiel durchschnittlich etwa 200 bis 300 Personen die Ratssitzungen. Auch Bundestags- und Landtags-Sitzungen werden bereits seit Jahren via Live-Stream übertragen.

Was spricht eigentlich gegen einen Live-Stream?

Das müssten uns die 18 Verweigerer nun erklären. Leider verrät der Bürgermeister nicht wer einer Übertragung seiner Redebeiträge widersprochen hat. Den Jusos ist jedenfalls völlig unverständlich, warum man der Übertragung widerspricht. Sehen kann die Ratsmitglieder ohnehin jeder Besucher. Warum das Online-Publikum schlimmer sein soll als die „Offline“-Bürger im Ratssaal, erschließt sich nicht. Gerüchteweise fürchten sich einige CDU-Mitglieder vor Mitschnitten und anschließender Verfälschungen der Aussagen. Ein Argument scheint das nicht: Bereits heute recherchieren leider nicht alle Neusser Medium gründlich. Zum Teil werden den Lokalpolitikern die Worte im Mund verdreht, ohne das der Autor der Zeilen überhaupt im Ratssaal war. Die CDU soll deshalb sogar schon den Rechtsweg in Erwägung gezogen haben. Vor falscher Berichterstattung würde ein Live-Streaming aber schützen – jeder Bürger könnte sich dann selber von der Wahrheit überzeugen.

Die Neusser Jusos wollen jedenfalls weiter für einen Live-Stream kämpfen. Sie fordern deshalb:

  1. Der Neusser Bürgermeister soll öffentlich machen, welche Stadtverordneten der Übertragung ihrer Redebeiträge widersprochen haben. Nur so können etwaige Bedenken miteinbezogen werden.  Ein Dialog ist aber nur möglich wenn man weiß mit wem man sprechen muss.
  2. Ein Live-Stream muss trotzdem eingerichtet werden – immerhin war die Mehrheit dafür. Während den Redebeiträgen der 18 Stadtverordneten wird der Stream dann halt unterbrochen. Jeder Bürger kann sich dazu dann eine eigene Meinung bilden.

Ein weiterer wichtiger Schritt wäre, die Kommunalverfassung in Nordrhein-Westfalen so zu verändern, dass eine Live-Übertragung von Ratssitzungen im Internet trotz Widerspruch einzelner Ratsmitglieder erfolgen kann. Das müssen die Jusos aber nicht fordern – ihr SPD-Landtagsabgeordneter Reiner Breuer hat nämlich schon versprochen sich dafür einzusetzen.

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