Streit zwischen FDP und CDU. Die wichtigen Entscheidungen geben jetzt SPD und Grüne vor. Der Bürger profitiert und bekommt erneuerbare Energien, günstigere Kita-Gebühren und transparentere Personalentscheidungen in kommunalen Aufsichtsräten.

In Berlin ist der Begriff „Koalitionskrise“ allgegenwärtig. Dabei ist schwarz-gelb im Bundestag eine echte Liebesheirat im Vergleich zu CDU und FDP Neuss. Der Ton zwischen Merkel, Rösler und Seehofer ist zuweilen hart. Da beschimpft man sich als „Gurkentruppe“ oder „Wildsau“, doch im Bundestag stimmt man stets geschlossen ab. So schreibt es der Koalitionsvertrag schließlich vor.

In Neuss läuft das etwas anders. Bei der Ratssitzung am vergangenen Freitag stimmten CDU und FDP drei Mal hintereinander uneinheitlich ab. Formell ist der Koalitionsvertrag damit gebrochen. Darin hatten sich beide Parteien nämlich am 3. November 2009 verpflichtet, „sich in allen Angelegenheiten abzustimmen und gemeinsam zu entscheiden“. Davon war die Koalition am 22. Februar meilenweit entfernt. Bei einer zwischenzeitlichen Sitzungsunterbrechung sahen sich die Stadtverordneten der beiden Fraktionen nicht einmal mehr an. Was war passiert?

Den Anfang machte Dr. Achim Rohde am 6. Januar im Stadt-Kurier. „Die Kita-Abzocke ist doch wie damals der Nato-Doppelbeschluss mit Atomraketen – nur anders“, sagte Rohde. Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende wollte damit wohl die Erhöhung der Kita-Beiträge kritisieren, denn dahingehend äußerte sich später seine Fraktion. Der Vergleich freilich war dafür denkbar schlecht gewählt. Schließlich liegen Atomraketen und Kindergartenplätze thematisch jetzt nicht ganz so nah beieinander. Außerdem hat Rohdes Partei sowohl den Nato-Doppelbeschluss, als auch die Erhöhung der Kita-Beiträge zu verantworten. Zumindest bei letzterem änderte sich die FDP-Meinung aber am 6. Januar und davon war die Fraktion dann auch in zwei eigens einberufenen Sitzungen des Jugendhilfeausschuss, trotz erheblichem Druck der CDU und einem Vertagungsantrag des Koalitionspartners im Rat nicht mehr abzubringen.

Die Christdemokraten machten es nicht besser. Auf das Rohde-Interview folgte noch im Januar der Beschluss der CDU-Fraktion sich für die Errichtung von Windrädern einzusetzen. Für viele kamm das unerwartet, denn der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende Karl-Heinz Baum hatte bis dahin an der Seite von aufgebrachten Bürgern gegen die Windräder gekämpft. Die FDP war sowieso gegen die Energiewende in Neuss, wegen der drohenden „Verspargelung der Landschaft“. Beim Thema Windkraft änderte nun also die CDU ihre Meinung. Der Koalitionspartner FDP erfuhr davon aus der Zeitung und war wohl „not amussed“. Diesmal waren dann die Christdemokraten von ihrer Meinung auch im Planungsausschuss (APS) und trotz erheblichem Druck des Koalitionspartners nicht mehr abzubringen.

Eine neue Idee hatte dabei weder die FDP beim Thema Kita-Gebühren, noch die CDU bei den Windrädern. Beide schlossen sich einfach der Meinung von SPD und Grünen an. „SPD führt die Koalition vor“, titelte die Neuss-Grevenbroicher Zeitung (NGZ) folgerichtig nach dem Winkraft-Beschluss im Planungsausschuss.

Im Rat kam dann am Freitag noch der SPD-Antrag zur Auflösung der intransparenten „Personalkomissionen“ in den Aufsichtsräten der städtischen Unternehmen dazu. Der passte der CDU nicht, schließlich genießt sie ihre Macht als größte Fraktion und Bürgermeister-Pratei. Die wird freilich durch den SPD-Antrag geschmälert. Die FDP, die trotz Koalition bei solchen Entscheidungen meist außen vor bleibt, stimmte dem SPD-Antrag zu.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass alle wichtigen Entscheidungen des Rats nicht mit Koalitionsmehrheit, sondern von Rot-Grün getroffen wurden. Die Opposition führt also neuerdings den Rat. Dem Bürger hat das erneuerbare Energien, günstigere Kita-Gebühren und transparentere Personalentscheidungen in kommunalen Aufsichtsräten gebracht. CDU und FDP bleiben blamiert zurück. Die NGZ spottete bereits am Tag nach der Ratssitzung und einen Tag vor der Oscar-Verleihung: „And the Oscar goes to… Von Windkraft verweht – der Top-Thriller 2013 aus dem Neusser Stadtrat“. Darunter wurde das Personal der Koalition auf einer ganzen Seite auseinander genommen.
In der Koalition wurde derweil die Schuldfrage aufgeworfen. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Dr. Heinrich Köppen philosophierte auf der Fraktionshomepage über die CDU-Fraktionsvorsitzende Helga Koenemann: „So führt Frau Koenemann die CDU in die Koalitionskrise und letztlich in die Isolation.“ En passant bezeichnete Köppen noch Koenemanns Vorgänger Dr. Jörg Geerlings als „geschmeidig“ und lobte Geerlings Vorgänger Karl-Heinz Baum als „klug und erfahren“. Koenemann konnte das nicht gefallen. Sie konterte am nächsten Tag: „Ich kann die Bemerkungen Köppens einfach nicht ernstnehmen.“

Nach Frieden klingt das nicht gerade. Die Koalitionskrise wird weiter gehen. Angeblich weigern sich Koenemann und Köppen mitteinander zu sprechen. Für den Wähler ist das gut. Denn die in Berlin allgegenwärtige Koalitionskrise beruhigt Angela Merkel stets durch vertagen der Entscheidung. Diese Taktik funktioniert in Neuss zum Glück nicht. Stattdessen können SPD und Grüne dank Koalitionskrise ihre Politik durchsetzen.

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